Landwirte klagen über hohe Kosten und niedrige Erlöse

Im Erntedankgespräch des Kreisbauernverbands packen viele Landwirte aus.

aus RNZonline: https://www.rnz.de/nachrichten/metropolregion_artikel,-rhein-neckar-kreis-landwirte-klagen-ueber-hohe-kosten-und-niedrige-erloese-_arid,760657.html

26.10.2021, 06:00 Uhr

750634_1_org_image_3effc93347c39e9b   Sorgenvolle Mienen: Schweinezüchter Manfred Sommer (l.) und Kreisbauernverbands-vorsitzender Wolfgang Guckert. Foto: Dorn

Von Sabine Hebbelmann

Weinheim/Rhein-Neckar.  Es ist Herbst, Erntedankzeit. Vor dem Hofladen des "Apfelhofs Schulz" liegen Kürbisse. So weit, so traditionell. Aber irgendetwas ist hier anders. Im Innern gibt es keine Verkaufstheke und keine Kasse, stattdessen füllen Fächer und Automaten die Wände. Hinter Glas finden sich Produkte vom Hof und von weiteren Landwirten aus der Region: Tomaten, Zwetschgen, Äpfel und Apfelchips, Wurst, Gurken aus Südhessen, Eier, Milch und Milchprodukte.

Landwirte müssen sich etwas einfallen lassen, um der erbarmungslosen Zwickmühle aus niedrigen Handelspreisen und hohen Kosten zu entgehen. Dies wurde jüngst beim Erntedankgespräch mit Bauern aus der Region deutlich, zu dem der Kreisbauernverband Rhein-Neckar die Presse eingeladen hatte. Das traditionelle Erntedankfest mit Kreislandfrauen und Landjugend musste coronabedingt abgesagt werden. "Wir wollen über die Situation der Landwirte informieren", eröffnete Kreisvorsitzender Wolfgang Guckert die Runde. Nach drei trockenen Jahren wurde 2021 als eher "normales" Jahr empfunden. Je nach Ausrichtung gab es dennoch unterschiedliche Bewertungen. Die Frostnächte im April waren für Obst- und Gemüsebauern eine Herausforderung, und die streckenweise feuchte Witterung begünstigte Schädlinge. Die Getreideernte blieb hinter den Erwartungen zurück, die kleineren Körner konnten nur als Futtergetreide vermarktet werden.

Bei der Kartoffel kam es ebenfalls zu Schwierigkeiten bei der Vermarktung, da der Zuckergehalt hoch ausfiel und viele Produzenten in der Region an einen Chips-Hersteller verkaufen. Doch auch gesellschaftliche Debatten über Insektensterben und Klimawandel drückten auf die Stimmung. "Immer an vorderster Front wird die Landwirtschaft genannt", ärgerte sich Guckert und ergänzte: "Wir wissen, dass wir unseren Teil beitragen müssen."

Feuchte Witterung begünstige durch Pilze hervorgerufene Pflanzenkrankheiten wie Schorf und Mehltau, sagte Hofherr Sven Stein. Da Handel und Verbraucher große und makellose Früchte forderten, müsse man mit dem Pflanzenschutz hinterher sein. Aufgrund der Konkurrenz der großen Pfälzer Betriebe wird immer weniger Gemüse im Freiland angebaut, berichtete Hans Hornig, Gemüse-Gärtner aus Heidelberg-Handschuhsheim. Er setzt auf die Direktvermarktung, regionale Qualität werde bevorzugt. Unter "regional" versteht er Höfe im Umkreis von 20 bis 30 Kilometern, während der Handel den Begriff sehr großzügig auslegt.

750637_1_org_image_16dc8ff29901aba  Direktvermarktung als Chance: Ein Automat auf einem Apfelhof offeriert leckere Früchte. Foto: Hebbelmann

Rupert Bach aus Hirschberg-Großsachsen verteidigte das Beizen von Zuckerrübensaat mit bienengefährlichen Neonikotinoiden, um Blattläuse in den Griff zu bekommen. Sorge macht ihm auch die Schilf-Glasflügelzikade, die sich in Folge des Klimawandels ausbreitet und eine bakterielle Krankheit auf Zuckerrüben überträgt.

Schweinehalter Manfred Sommer bedauerte, dass die regionale Vermarktung durch die Schließung des Mannheimer Schlachthofs gelitten hat. Durch Auflagen kämen massive Investitionen auf die Betriebe zu. Dabei fehle es an Planungssicherheit.

Der Schlachtpreis sei mit 1,20 Euro pro Kilo historisch niedrig. Eine wichtige Rolle spiele dabei der Weltmarkt, der durch die Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest unter Druck ist. "Ich kann nicht von heute auf morgen die Stalltür abschließen und einfach aufhören", sagte er. Es fehle der Nachwuchs, viele Betriebe finden keine Nachfolger, berichtete Christian Leib von der Landjugend. Er spricht von hohen Kosten und einer 80-Stunden-Woche. Die Flächen für neue Gewerbegebiete und Wohnbebauung fehlten der Landwirtschaft. Jedes Jahr hören 700 Betriebe in Baden-Württemberg auf. "Was ist in fünfzig Jahren noch da?", fragte er.

Für Milchbauer Jochen Großhans war es ein gutes Jahr. Es war immer genug Wasser da, die Silos sind voll mit Gras und Mais, die Qualität ist gut. Aktuell kann er sich über ein Milchgeld von 40 Cent freuen. Dennoch sagt er: "Von der Tradition allein werden wir nicht satt, wir brauchen Innovation." Und so stellt er inzwischen selbst Joghurt in verschiedenen Geschmacksrichtungen und auch Eis her und vermarktet direkt, unter anderem über einen der Verkaufsautomaten beim "Apfelhof Schulz". Auch über ein Eiscafé denkt er nach.

Auf weitere Innovationen in der klimatisch begünstigten Region weist Kreisgeschäftsführer Rolf Berger hin, so würden Mini-Kiwis und Lavendel angebaut, Spargelreihen vermietet, mit Süßkartoffeln und Quinoa experimentiert sowie vergessene Kulturen wie die Quitte wiederbelebt. Volker Kaltschmitt weist auf die GeReMO Heidelberg/Rhein-Neckar hin, eine Initiative zur gemeinsamen Vermarktung von Produkten aus Heidelberg und der Region.

Der Weinheimer Landwirt Fritz Pfrang engagiert sich in der Bürgerinitiative Breitwiesen. Er prangert den "erschreckend hohen" Flächenverbrauch im Ballungsraum an und kritisiert die Änderung des Regionalplans als "Wunschkonzert der Bürgermeister". Für die Landwirtschaft blieben keine freien Flächen übrig.