Nicht umsonst hieß Bammental früher Bammental am Elendsbach. Alle Jahre trat und tritt mehrmals die Elsenz über die Ufer. 1970 beispielsweise, als das Wasser so hoch stieg, dass man von Reilsheim nicht mehr nach Bammental kam. Oder in den 1990ern, da kam eine Flutwelle die Elsenz herunter. Die Feuerwehr fuhr nachts durch den Ort und warnte die Anwohner. Manch einer dachte: »Bei uns war noch nie Wasser.« Nun ja, man wurde eines Besseren belehrt.

Eine der schönsten Hochwassergeschichten ist aber sicher die, die sich nach dem Krieg an Silvester/Heiligabend zugetragen hat: Die Menschen strömten in die evangelische Kirche. Auch die Tochter des Pfarrers war von der Partie. Sie wurde von einem amerikanischen Soldaten begleitet. Stolz schritt sie an seinem Arm den Gang entlang. Das begeisterte die Gemeinde nicht gerade. Was aber noch dazukam – er war dunkelhäutig. Erst war es mucksmäuschenstill in der Kirche, dann ging das Geschnatter los. »Schwarz wie die Nacht«, wurde hinter vorgehaltener Hand gesagt.

Der Gottesdienst begann. Am Ende wurde »Stille Nacht, heilige Nacht« gesungen. Aus der letzten Reihe ertönte im kräftigen Bass »Silent Night, holy Night«. Der Schwarze konnte singen! Englisch zwar und nicht verständlich, aber definitiv die richtige Melodie! Viele drehten sich heimlich und verwundert um. An diesem Heiligabend war das das Thema schlechthin. Die schamlose Pfarrerstochter mit dem singenden, schwarzen Amerikaner! Keine Woche später an Silvester: Das gleiche Spiel. Der GI fuhr mit seinem Jeep vor, dabei die Pfarrerstochter. Das Geraune ging diesmal schon eher los. Seht nur, die schon wieder. Der GI lächelte alle freundlich an und setzte sich. Der Gottesdienst war vorbei und die Leute standen vor der Kirche. Der Weg über die Brücke war versperrt! Innerhalb von einer Stunde war die Elsenz so hoch gestiegen, dass es keinen Weg mehr zurück gab. Selbst am alten Turm war alles dicht! Durchwaten ging nicht, das Wasser stand schon zu hoch und die Strömung war zu stark. Das Gejammer war groß!

Kinder weinten, alle waren aufgeregt. Was sollte man nur machen? Da kam der GI, packte wortlos mit einem Lächeln das erstbeste, heulende Kind und setzte es in den Jeep. Er winkte den anderen und zeigte mit den Fingern: Fünf Leute passten in sein Auto. Dann schwang er sich hinter das Steuer und fuhr durch das Wasser über die Brücke. Dort stiegen die Leute aus, er fuhr wieder zurück und lud die nächsten ein. Er machte solange weiter, bis alle Leute über der Brücke waren und trockenen Fußes nach Hause konnten. Im letzten Auto saß ein kleines Kind, das in neu gelerntem Englisch: »thank you« sagte. Der GI lächelte noch mehr, seine Zähne blitzten und er sagte in gebrochenem Deutsch: »Ich gerne gemacht!« Er hob das Kind aus dem Auto, winkte nochmal. Er fuhr zurück über die Brücke, lud die Pfarrerstochter ins Auto und brauste davon.

Er wurde nie mehr wieder in Bammental gesehen, aber alle Leute erinnerten sich gerne an den »Stille Nacht« singenden GI, der bald zwanzigmal durch die Fluten gefahren war.

Quelle: Diese Geschichte finden sie im Kochbuch auf Seite 140.